In einem aktuellen Bericht der US-amerikanischen Menschenrechtsorganisation Advocates of Silenced Turkey (AST) geht es um Foltervorwürfe, die von staatlichen Einrichtungen in der Türkei ausgehen. Dabei liegt der Fokus auf den Foltervorwürfen, die nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 geschehen sein sollen. Zwei Fälle, in denen der türkische Geheimdienst eingebunden sein soll, sind besonders brisant.
BOLD – Die US-Menschenrechtsorganisation Advocates of Silenced Turkey (AST) geht von Folter durch staatliche Behörden in der Türkei aus. Darüber berichtet die Organisation in ihrem jüngsten Bericht “Systematische Folter und Misshandlung in der Türkei.” Darin werden Foltervorwürfe und Todesfälle in den offiziellen sowie inoffiziellen türkischen Behörden zusammengefasst.
In dem Bericht kommen auch die brisanten Fälle wie die von Gökhan Açıkkollu, Ayten Öztürk, Zabit Kişi, Mitarbeitern des türkischen Außenministeriums, Folter von Kindern in der türkischen Stadt Van sowie zwei vom türkischen Geheimdienst entführten Personen vor. Insgesamt werden 104 Fälle auf 128 Seiten näher untersucht und beschrieben.
93 Menschen wegen Misshandlung gestorben
Laut dem Bericht sind insgesamt 93 Menschen wegen Misshandlung, fahrlässigem Verhalten sowie systematischer Folter in Gefängnissen gestorben. Auch während der Festnahmen sowie Vernehmungen sollen 11 Personen ums Leben gekommen sein. Die AST hat 10 dieser Fälle detailliert aufgeführt.
“Ein Mitarbeiter des Präsidialamts kam ständig”
Eines der Opfer ist A.G. Aus Sicherheitsgründen wird dessen wahre Identität in dem Bericht geschützt. A.G. wurde auf offener Straße mit einem über den Kopf gezogenen Sack entführt und auf den Campus des Geheimdienstes MIT verschleppt. Dort soll A.G. mit Stromschlägen, Peitschen, Schlagstöcken und Knüppel gefoltert worden sein. Außerdem sei die Person auch sexueller Erniedrigung ausgesetzt worden sein. A.G. soll außerdem mehrere Wochen in einer 4,5 Quadratmeter kleinen Zelle eingesperrt worden sein, wie er berichtet. Vor allem in den ersten 20 Tagen sei er permanenter Folter ausgesetzt gewesen. A.G. wird der Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung beschuldigt. Die türkische Regierung macht die Bewegung für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich und sieht in der Bewegung eine Terrororganisation. A.G. behauptet, dass er manchmal auch nichts zu essen und trinken bekommen habe. Zudem sei er immer wieder beleidigt worden und habe Drohungen gegenüber seiner Familie zu hören bekommen.
Folter mit Knüppel
Laut A.G. soll er im Folterzentrum auch mit Knüppeln in den Schritt geschlagen worden sein. Außerdem sei er gezwungen worden auf einem künstlichen Penissen sitzen müssen, was zu einem Darmriss geführt habe. Auch ihm gegenüber habe es Vergewaltigungsversuche gegeben. Zudem habe er mitgehört, wie andere Opfer gefoltert wurden und geschrien haben. Eine Foltersitzung habe etwa 4 bis 5 Stunden gedauert. Dabei hätten die Folterer gelacht und sich über die Opfer lustig gemacht. In den Zellen seien Kameras installiert worden. Durch Anweisungen habe man auch das Schlafen der Inhaftierten verhindert.
Noch brisanter werden die Schilderungen, wenn A.G. von einem vermeintlichen Mitarbeiter des Präsidialamts spricht. Dieser habe das Folterzentrum besucht und dort Berichte von den Folterern eingeholt. Man habe versucht A.G. als V-Mann für den MIT innerhalb der Gülen-Bewegung zu gewinnen. Er solle seine Taten zugeben und vorgefertigte Antworten unterschreiben, sollen die Folterer von ihm gefordert haben.
Ein weiteres Opfer ist I.S. Auch dieses Opfer, dessen wahre Identität aus Sicherheitsgründen verborgen bleibt, sei 7,5 Monate im selben Folterzentrum gehalten worden. Ihm werfe man ebenfalls Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung vor. I.S. habe ähnliche Folter erlebt. Als er freigelassen wird, erkannte ihn nicht einmal seine Frau, wie er heute selbst erzählt. Schließlich habe er rund 30 Kilo abgenommen.
In dem Bericht wird über 93 Personen berichtet, die nach dem Putschversuch am 15. Juli 2016 in den Gefängnissen wegen Folter und Misshandlung ums Leben kamen. In dem Bericht kommen auch Personen vor, die während ihrer Untersuchungshaft ums Leben kamen.