(msi) Nach Recherchen von NDR, WDR und SZ wurde ein Anwalt, der für das Auswärtige Amt die Angaben von Asylsuchenden aus der Türkei überprüft hat, in der Türkei festgenommen. Das geschah schon im September 2019. Zahlreiche Akten Schutzsuchender Gülen-Anhänger und Kurden könnten so in die Hände des türkischen Geheimdienstes MIT gelangt sein.
Wie konnten Daten Asylsuchender in Deutschland in die Hände türkischer Behörden gelangen?
Im September 2019 wird ein, für die deutsche Botschaft in Ankara tätiger, Kooperationsanwalt von türkischen Strafverfolgungsbehörden verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Dies bestätigte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (kurz: BAMF) auf Anfrage von Journalisten. Bei der anschließenden Razzia in der Kanzlei des Juristen stellten die türkischen Behörden zum Teil brisante Informationen Asylsuchender sicher. Das BAMF bearbeitet die Anträge von Asylsuchenden und fordert beim Auswärtigen Amt gegebenenfalls Hilfe, die dann durch sogenannte Vertrauensanwälte in den Herkunftsländern Angaben von Asylsuchenden überprüft werden.
Warum wurde der Vertrauensanwalt Yilmaz S. festgenommen
Der Anwalt Yilmaz S. Sitzt weiterhin im Gefängnis. Ihm wird „Spionage für Deutschland“ vorgeworfen, schreibt die islamistisch-nationale Zeitung „Yeni Şafak.“ So sollen die türkischen Polizisten den Juristen vor der Verhaftung 4 Monate lang observiert haben. Der Anwalt wurde nach einer Busreise von Istanbul nach Ankara festgenommen, schreibt Yeni Şafak.
Yilmaz S. soll unter anderem über Gülen-Anhänger und Kurden, die nach dem Putschversuch vom 15.Juli 2016 aus dem Land geflüchtet sind und in Deutschland Antrag auf Asyl gestellt haben, Berichte verfasst haben. In Diesen soll auch stehen, ob gegen diese Personen in der Türkei ermittelt wird oder ein Haftbefehl vorliegt. Das regierungsnahe Medium will zudem erfahren haben, dass auch Berichte über Personen erstellt wurden, die Antrag auf Einbürgerung gestellt haben sollen.
Betroffene haben Angst
Ein Betroffener, dessen Daten jetzt nach der Festnahme des Vertrauensanwalts in der Türkei in die Hände der türkischen Behörden gelangt ist, wurde von der deutschen Polizei informiert. Dieser sagte zu den Journalisten von NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung, dass er jetzt Angst um seine Familie in der Türkei habe. Auch andere Betroffene sollen von Polizisten in ihren Wohnungen aufgesucht und über die Lage unterrichtet worden sein.
Will die Türkei Kritiker warnen?
Die Festnahme des Vertrauensanwalts in Ankara soll offenbar Regierungsgegner einschüchtern. Die Türkei wolle damit vor allem zwei Botschaft vermitteln: „Erstens: Egal, wo ihr seid, wir verfolgen und finden euch überall. Und zweitens, an die Menschen in der Türkei: Wer für fremde Regierungen arbeitet, muss damit rechnen, geächtet und bestraft zu werden,“ sagt Ercan Karakoyun, Sprecher der Gülen-Bewegung in Deutschland in einem Zitat für die BILD.
“Wir sind der Auffassung, dass es dafür auch eine schnelle Lösung geben muss, und das werde ich dem Kollegen natürlich auch hier sagen”, wird Bundesaußenminister Heiko Maas von der „Deutsche Welle“ zitiert. Maas halte die Festnahme “in keinster Weise nachvollziehbar.”
Offene Fragen in dem Skandal an das BAMF und das Auswärtige Amt
- Wie viele Asylsuchende hat das BAMF insbesondere nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 durch das Auswärtige Amt in der Türkei überprüfen lassen?
- Werden alle Namen, die durch das BAMF an das Auswärtige Amt vorgelegt werden, in den Herkunftsländern überprüft?
- Welche Vorsichtsmaßnahmen werden bei solchen Prüfungen in der Türkei getroffen, damit die Sicherheitsbehörden in den Herkunftsstaaten nicht an solche sensiblen Daten gelangen?