Der im westbosnischen Bihac festgenommene Direktor der “Richmond Park Schule” ist nach 15 Tagen Untersuchungshaft wieder auf freiem Fuß. Im Gespräch mit Bold Medya erzählt der Schulleiter, wie bosnische Behörden ihn abschieben wollten.
von Cevheri Güven
Für Fatih Keskin war das Leben noch bis vor kurzem in Ordnung. Als Schulleiter betreute er mehrere Dutzend Schüler im bosnischen Bihac. Doch dann passiert etwas unerwartetes. Keskin, der schon seit mehr als 20 Jahren in Bosnien-Herzegowina lebt, wird auf die örtliche Polizeiwache in Bihac eingeladen. Dort erfährt er, dass man seinen unbefristeten Aufenthaltsstatus widerrufen werde, weil er Gesetze missachtet habe. Daraufhin wird Keskin in ein Flüchtlingszentrum in Sarajevo gebracht, wo man ihn für die Abschiebehaft vorbereiten sollte. In dieser Zeit kann Keskin seine Familie verständigen, was zu medialer Aufmerksamkeit führt. Nach 15 Tagen Haft, stoppt ein bosnisches Gericht eine mögliche Abschiebung.
In einem Gespräch mit BOLD sagt Keskin, dass man ihn beinahe in die Türkei abgeschoben hätte. Die mediale Berichterstattung sowie öffentliche Empörung und der Druck auf die bosnischen Behörde hätten das letztendlich verhindert, meint er. Der Fall ist auch deshalb so brisant, weil er vermutlich einen politischen Hintergrund hat. Keskin ist nämlich Leiter einer Schule, die der Gülen-Bewegung nahesteht. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan macht die Bewegung für den Putschversuch vom 15. Juli 2016 verantwortlich und verfolgt seitdem auch Anhänger der Bewegung im Ausland. Auch Bosnien gehörte zu den Zielländern. Erst im Juli hatte Erdoğan bei einem Sarajevo-Besuch bei der bosnischen Staatsführung erneut darauf gedrungen, türkische Staatsbürger auszuliefern, denen eine Zugehörigkeit zu der Bewegung nachgesagt wird. Auch Keskin sollte ursprünglich in die Türkei abgeschoben werden, obwohl er einen unbefristeten Aufenthaltstitel hat. “Nach dem öffentlichen Druck wollten sie mich dann plötzlich in ein anderes Land abschieben”, behauptet der Schulleiter. “Ein zuständiger Beamter kam nahezu jeden Tag zu mir und bot an, mich sofort in ein anderes Land zu schicken. Der öffentliche Druck war schließlich sehr hoch”, so Keskin. Neben regionalen Medien berichteten auch internationale Medien über den Fall.
“Ich möchte dieses Land nicht wie ein Terrorist verlassen”
“Nach ein paar Angeboten habe ich mich fast überzeugen lassen”, gesteht Fatih Keskin. Dann sah er aber, wie sich Schüler, Eltern und Lehrer seiner Schule für ihn einsetzten: “Ich habe ihnen gesagt, dass ich nicht wie ein Terrorist an einem frühen Morgen dieses Land fluchtartig verlassen möchte.”
“In Bosnien ist die Justiz unabhängig”
Mit dem Angebot, in ein anderes Land zu gehen, habe man versucht, einen juristischen Prozess zu verhindern.”Ich weiß, dass die Justiz in Bosnien unabhängig ist. Ich war mir auch sicher, dass ich kein Verbrechen begangen hatte. Und das Gericht konnte auch nicht eine Entscheidung treffen, die den Normen der Europäischen Union widerspricht”, führt Keskin seine Behauptung weiter aus.
Letztendlich hat Keskin Recht behalten. Das Gericht hat die Abschiebung gestoppt und ihn freigelassen. Keskin beteuert trotz allem seine Liebe zu Bosnien: ”Ich lebe seit 2005 in Bosnien. Ich habe hier 2010 geheiratet und habe zwei Kinder. Bosnien ist ein Teil von uns. Wir haben ein Visum für europäische Staaten, aber wir wollten hier bleiben.”
In den letzten drei Jahren hat der türkische Staat schätzungsweise 100 Menschen aus dem Ausland entführt und illegal in die Türkei gebracht.
Die deutsche Version des Textes ist redaktionell bearbeitet worden. Das Original finden Sie hier.