Der Kurde Muhittin B. ist Aktivist der HDP in Nusaybin gewesen, dessen Haus vom türkischen Militär im Winter 2015/16 zerstört wurde. Der Mann floh am 17.11.2016 aus der kurdischen Stadt Nusaybin nach Deutschland und stellte einen Asylantrag, da er aufgrund seiner Tätigkeit für die Partei HDP von türkischen Stellen verfolgt wurde. Danach begann eine jahrelange Tortur durch die deutschen Behörden.
BAMF nennt Beweise “unglaubhaft”
Er legte dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge BAMF Unterlagen vor, die seine Verfolgung belegten. Sowohl der Haftbefehl wegen „Unterstützung für eine terroristische Vereinigung“ als auch der Nachweis, dass sein Haus zerstört wurde, hatte Muhittin B. der Behörde vorgelegt. Dennoch ließ sich das BAMF Zeit und lehnte den Antrag mit Bescheid am 05.04.2018 mit der Begründung, dieser sei “unglaubhaft,“ ab.
Gericht will Auskunft von Auswärtigem Amt
Am 24. 4. 2018 erhob Rechtsanwalt Dündar Kelloglu gegen den Ablehnungsbescheid Klage. Das Gericht sah sich wegen der Infragestellung der Glaubwürdigkeit des Antragstellers durch das BAMF dazu gezwungen, eine Auskunft des Auswärtigen Amtes einzuholen. Die deutsche Botschaft in Ankara recherchierte mit Hilfe eines Vertrauensanwalts vor Ort, dass bei der Oberstaatsanwaltschaft Mardin zwei Ermittlungsverfahren gegen Muhittin B. anhängig seien und er per Haftbefehl gesucht werde.
Akte von Muhittin B. möglicherweise in Hände von türk. Geheimdienst
In der Zwischenzeit wurde zudem festgestellt, dass die Akte des Klägers möglicherweise in die Hände des türkischen Geheimdienstes gelangt seien. Der Vertrauensanwalt wurde nämlich festgenommen. Dabei hatten die türkischen Behörden offenbar hunderte Datensätze, wahrscheinlich sogar mehr, in der Kanzlei des Juristen sichergestellt. “Obwohl das BAMF öffentlich verlautbarte, die von der Festnahme des deutschen Vertrauensanwalts betroffenen Flüchtlinge würden von Amts wegen klaglos gestellt, hat das Bundesamt seine Rechtsauffassung bislang nicht korrigiert,” kritisiert der Flüchtlingsrat Niedersachsen.
Dennoch weigerte sich das BAMF bislang dem Kurden seine Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. In der heutigen Gerichtsverhandlung hatte die Vorsitzende Richterin des VG Hannover aber festgestellt, dass „ein rechtsstaatliches, faires Verfahren in der Türkei nicht zu erwarten“ sei. Wie erwartet hatte deswegen das VG Hannover Muhittin B. die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.