Seit dem Putschversuch 2016 wurden in der Türkei viele Menschen aufgrund von Aussagen der sog. “geheimen Zeugen” zu langen Haftstrafen verurteilt. Wer diese Zeugen sind, bleibt dem Angeklagten und ihren Verteidigern unbekannt. Unter den Opfern sind Menschen aus allen sozialen Schichten und Berufsgruppenen vertreten.
So wurde etwa der Bürgermeister von Diyarbakır, SelçukMızraklı (HDP), zunächst von einem Zwangsverwalter ersetzt und später festgenommen. Inzwischen wurde Mızraklı zu neune Jahren und vier Monaten Haft verurteilt, wegen Terrordelikten. Das Urteil stützt sich auch hier auf einen geheimen Zeugen.
Wie absurd das Ganze ist, zeigt der Fall des geheimen Zeugen B.E. Dieser hatte gegen 344 Personen ausgesagt. 128 Personen sollen wegen der Zeugenaussage von B.E. Festgenommen worden sein. Dabei wurden die Personen wegen Terrordelikten festgenommen und oder verurteilt. So wurden die Betroffen mal wegen der Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung, der PKK oder linken Gruppen wie der DHKP-C verurteilt – und das auf die Aussagen des selben geheimen Zeugen B.E.
Das Thema geheime Zeugen wird in der Türkei von der Opposition heftig kritisiert. Es liege an dem Angeklagten zu beweisen, dass die Aussage des geheimen Zeugen falsch sei. “Dabei ist es Audgabe der Staatsanwaltschaft das zu tun,” kritisiert der Oppositionsabgeordnete Ilhan Cihaner (CHP). Geheime Zeugen hatten auch in den Verfahren gegen Journalisten wie Ahmet Altan und Nazlı Ilıcak ausgesagt. Der geheime Zeuge sei inzwischen zu einem Beruf in der Türkei verkommen, so Cihaner.