Für die Journalistin Hediye Levent ist eines klar: Die russische Seite hätte niemals nicht wissen können, dass in dem Gebiet, das angegriffen wurde, türkische Soldaten stationiert waren. Levent spricht von dem Angriff, bei dem nach Angaben türkischer Seiten mindestens 34 Tote Soldaten zu verzeichnen sind. Die Türkei steht derzeit unter großem Schock. Auf der einen Seite versucht man die NATO zu mobilisieren und auf die eigene Seite zu ziehen. Auf der anderen Seite versucht man mit Russland eine Feuerpause auszuhandeln. Doch die Alternativen gingen der Türkei allmählich aus, so Levent.
Bruch der Vereinbarungen von Sotschi
Nach den Vereinbarungen von Sotschi hat die Türkei 12 Sichtungspunkte in Syrien errichtet. 10 dieser 12 Aussichtspunkte stünden laut Hediye Levent unter der Belagerung der syrischen Armee. Doch die Türkei habe entgegen den Vereinbarungen von Sotschi mobile Sichtungspunkte errichtet und diesbezüglich sogar Waffen in diesem Gebiet gelagert. Auf diese Weise sei die Zahl der Sichtungspunkte auf 30 angestiegen, obwohl die russische Seite so eine Entwicklung nicht abgesegnet hatten. Dieser Angriff war also eine Reaktion auf den Bruch der türkischen Seite. Aber der Abschuss eines russischen Flugzeugs in den vorangegangen Tagen brachte das Fass zum Überlaufen, so Levent. All das hat die Gemüter in der Region angeheizt. Diese Anspannung wird auch weiter eskalieren, sollten beide Seiten keine Deeskalation vereinbaren.
“Die Russen waren gut informiert”
Die Russen sagten in einer ersten Erklärung, dass nicht sie für den Angriff verantwortlich seien, sondern die syrische Armee. Doch es sei klar, dass die Operation in Idlib mit russischer Unterstützung geschehe. “Die Russen waren gut informiert. Alles andere ist undenkbar”, so Levent.
NATO und USA werden keine konkreten Maßnahmen ergreifen
Auch in vergleichbaren Situationen in der Vergangenheit habe es eine rasche Zusammenkunft der NATO gegeben. Doch konkrete Maßnahmen auf dem Feld habe es in Bezug auf die Türkei auch zuvor nicht gegeben. “Es ist nicht zu erwarten, dass die NATO oder USA konkrete Maßnahmen ergreifen, die die Situation zu Gunsten der Türkei umpolen kann”, so die Expertin über die jüngste Eskalation in Syrien. Schließlich basiere der türkische Krieg in Syrien auf keiner notwendigen Grundlage.
Die Türkei hat zwei Optionen
Hediye Levent glaubt, dass angesichts der aktuellen Zwickmühle nur zwei Optionen für die Türkei in Frage kommen. Entweder zieht sich die Türkei aus Idlib vollständig zurück, oder sie zieht gegen die syrische Armee in den Krieg. Doch sollte es zu einem Krieg zwischen beiden Nationen kommen, würden auch andere Parteien in diesen Krieg einsteigen. So eine Option sei für alle Beteiligten die ungünstigste Entscheidung.