Dieses Gruppenfoto wurde in einem Gefängnis in der Türkei gemacht. Zum türkischen Kindertag am 23. April wurde über das Bild heftig diskutiert. Wir haben die Hintergründe zu dem Foto für Sie herausgefunden.
von Sevinç Özarslan
Immer wieder bringt der Abgeordnete Ömer Faruk Gergerlioğlu (HDP) Menschenrechtsverstöße in der Türkei über Twitter an die Öffentlichkeit. Zuletzt hatte er ein Foto von Kindern in einem Gefängnis veröffentlicht. Auf diesem Foto diesem Gruppenbild sind 8 Kinder zwischen 1 und 5 Jahren zu sehen. Die Kinder hatten ihre schönste Kleidung an und hatte Spielzeuge in ihrer Hand.
Nach der Festnahme der Mutter Krankheit entdeckt
Eines der Kinder ist Bahar Güler, die Asthma bekam, nachdem ihre Mutter verhaftet wurde. Bahar besuchte mit ihrer Großmutter Halime regelmäßig zwei Jahre lang ihre Mutter im Gefängnis. Die bis zu 13 Stunden musste sie mit dem Bus fahren um ihre Mutter zu sehen. Drei bis vier Mal mussten sie dabei umsteigen. Nach jedem Mal wurde die kleine Bahar krank. Sie hustete und bekam dann Asthma. Sie hatte deswegen von ihrer Mutter ein Inhaliergeraät bekommen.
Seit drei Monaten will sie ihre Mutter nicht verlassen
Die fünfjährige Baher kann sich seit drei Monaten nicht von ihrer Mutter trennen. Den Grund dafür erzählt ihre Großmutter Halime.
„Am 8. Mai wird Bahar sechs Jahre alt. Sie wird dann gezwungen sein sich von ihrer Mutter trennen. Als wir sie zuletzt vor drei Monaten zu uns genommen haben wir es ihr erzählt, damit sie sich an diesen Gedanken langsam gewöhnt. Sie war sehr traurig. Als sie zurück ins Gefängnis ging erzählte sie den anderen Kindern dort, dass sie sich mit ihrem sechsten Geburtstag von ihrer Mutter trennen muss. ´Ihr werdet auch von euren Müttern getrennt, wenn ihr älter werdet´soll sie dort gesagt haben. Alle Kinder sollen anschließend geweint haben.“
„Wenn wir das Kind nicht abholen können, kann sie von den Behörden in Obhut genommen werden“
Wegen der Corona-Pandemie habe die Familie noch ein Probleme, erzählt uns Halime. „Zwischen den Städten darf es keine Reisen mehr geben. Wenn wir eine Sondergenehmigung bekommen, werden wir am 8. Mai Bahar abholen. Wenn wir es aber nicht dürfen, kann die staatliche Fürsorge das Kind übernehmen. Es gibt noch andere Kinder in der Situation wie Bahar. Es gibt Familien ohne Auto oder finanzielle Möglichkeiten. Es gibt alte Menschen.“
Mutter ist Mathematiklehrerin
Die Mutter und Mathematiklehrerin (36) wurde am 28. Oktober 2016 im Rahmen der Razzien gegen die Gülen-Bewegung festgenommen. Ein Kollege hatte „sie ist auch eine von ihnen gesagt“ und sie an die Polizei verraten. Seit 3,5 Jahren muss sie deswegen schon im Gefängnis sitzen. Neben Bahar (5) hat sie mit Azra (9) noch eine Tochter. Während des Ausnahmezustands konnte die Mutter ein Jahr lang ihre Kinder überhaupt nicht sehen. Als die Lehrerin ins Gefängnis von Izmir Şakran verlegt wurde, konnte ihre Tochter Bahar sie auch besuchen. Die Tochter Azra lebt bei ihrer Großmutter.
Gergerlioğlu erzählt den Hintergrund des Fotos
Der Oppositionsabgeordnete Gergerlioğlu hatte sich über das neue Strafvollzugsgesetz empört. Die Abgeordneten der Regierungspartei AKP und ihres ultranationalistischen Koalitionspartners MHP hatte mit ihrer Unterschrift unter das Gesetz entschieden, dass die Kinder weiterhin im Gefängnis bleiben müssten. „Inhaftierte Kinder. Könnt ihr damit leben? Ich frage euch alle.“ Die Kinder hätten ernsthafte Essensprobleme. 13 Kinder gemeinsam mit ihren Müttern in einer Zelle halten und dann noch Essensprobleme hätten. „Was ist das nur für ein Gewissen,“ empörte sich Gergerlioğlu über Twitter. Wie er an das Foto gelangt ist, erzählte er in einer Youtube-Sendung mit Çağlar Cilara.
Acht Monate altes Baby geht ins Gefängnis
Das Foto soll Gergerlioğlu von einem der Onkel der Kinder bekommen haben. „Dieses Foto hat mir ein Nahestehender eines der Kinder geschickt und hat mir auch dessen Geschichte erzählt. Dieses Kind ist ins Gefängnis gekommen, als es acht Monate alt war und ist jetzt seit drei Jahren im Gefängnis. Auch der Vater ist im selben Gefängnis inhaftiert. In dieses drei Jahren waren es den Eltern nicht erlaubt sich ohne barrieren zu sehen. Vater, Mutter und Kind sind in dieser Zeit nie zusammengekommen. Erst mit zweieinhalb Jahren durfte das Kind zu Verwandten,“ so Gergerlioğlu.
„Angst bekommen, als es Bäume und Sand gesehen hat“
Nach zweieinahlb Jahren hat das Kind erstmals Bäume, Erde, Sand und viele Menschen gesehen, erzählt der Abgeordnete. „Als das Kind draußen Bäume und Sand gesehen hat, hat es Angst bekommen. Es hat einen Monat Tag und Nacht geweint und nach seiner Mutter gerufen. Wie kann ein Kind Angst vor Bäumen und Vögeln Angst haben? Es hat Angst, weil es so etwas in seinem Leben noch nie gesehen hat. Es konnte die Erde nicht anfassen. Es hat die ganze Zeit in der Gefängnissprache gesprochen. Wann werden gezählt, dürfen wir Schokolade bei Onkel Wärter bestellen. So ein Kind haben wir vor uns. Es hat tagelang geweint, weil die Mutter es gehen lassen hat. Erst später hat es sich an seine Familie ein wenig gewöhnt,“ erzählt Gergerlioğlu.
Warum hast du mich gehen lassen Mutter
Als es nach zwei Monaten zur Mutter zurückmusste, wollte es nicht mehr ins Gefängnis. „Das Kind hat die Knöpfe seines Onkels abgerissen. Es ist schreiend ins Gefängnis gegangen. Es waren wirklich dramatische Szenen…Sie konnte es nur schwer der Mutter abgeben. Als es im Gefängnis war, hat es die Mutter gefragt, warum sie es abgegeben hat. Ích hatte dich sehr vermisst und bin sauer auf dich. Und es war eine Zeit lang sauer auf die Mutter. Die Kinder durchleben ein großes Trauma. Eine Zelle mit 16 Frauen und 17 Kindern. Es ist weniger geworden. 12 Frauen und 13 Kinder. Jedes der Kinder soll seine eigenen Probleme haben. Sie haben alle psychische Probleme. Die Mütter weinen jeden Tag. Kinder schaffen es nicht in Gefängnissen.
Justizminister zeigt sich desinteressiert
Nach den offiziellen Zahlen vom November 2019 gibt es in den türkischen Gefängnissen mehr als 800 Kinder und Babys in der Altersgruppe 0 – 6. Gergerlioğlu erzählt, dass er seit zwei Jahren immer wieder Anfragen zu Mutter-Vater-Zellen an das Justizministerium stellt und auch persönlich zum Amtssutz von Justizminister Abdülhamit Gül gegangen ist und dort gesprochen hat. Die Regierung dürfe bei diesen Kindern keine politischen Zweifel haben und nicht diskriminierend herangehen.
„Folter für Kinder“
„In dieser Zeit haben auch schwangere Frauen in den Gefängnisse gesessen. Diese Kinder und Babys sind im Gefängnis aufgewachsen. Wenn wir ihre Geschichten erzählen merken wir, dass das Ganze der Regierung gleichgültig ist. Ich habe es auch in seinem Amtssitz gesagt. Denkt mal darüber nach, dass diese Kinder stottern. Ich habe ihnen erzählt, dass die Kinder in Zukunft zu einer Bombe in der Gesellschaft werden können. Ich habe immer wieder an ihr Gewissen appeliert, aber es war ihnen egal. Aber es muss die Regierung interessieren. Diese Kinder erleben Folter. Das ist Folter, nichts anderes! Wenn die Regierung die Regierung diesem Problem sich mit politischen Zweifeln oder diskriminieren annähert funktioniert das nicht. Ich habe auch die Größe der Zellen gesehen. Es sind kleine Räume. Es gibt zudem übertragbare Krankheiten und uberhupt keine soziale Distanz. Es gibt kein richtiges Essen,“ erzähl der HDP-Abgeordnete Ömer Faruk Gergerlioğlu.
Die deutsche Übersetzung wurde redaktionell überarbeitet. Das Original finden Sie hier.
https://www.youtube.com/watch?v=qp-6-anCSF8&feature=emb_title