Die zweifache Mutter Elif Şahin wurde vor sechs Monaten festgenommen. Der Druck und die Umstände in der Untersuchungshaft haben bei ihr zu gesundheitlichen Schäden geführt.
von Sevinç Özarslan
Elif Şahin (33) kämpft im Gefängnis von Manisa mit ihrer Krankheiten, schreibt sie in einem Brief. Sie hatte während ihrer Untersuchungshaft Blutungen an ihren Nieren bekommen. Wegen des Drucks der Polizisten in dieser Zeit bekommt sie immer wieder Panikattacken. Als Mutter macht ihr viel mehr die Situation ihrer Kinder große Sorgen.
Meine Kinder sind einsam
Den Brief hat Elif Şahin an den Oppositionsabgeordneten und Menschenrechtler Ömer Faruk Gergerlioğlu (HDP) geschrieben und bittet ihn darin um Hilfe: “Seit mein Mann festgenommen wurde, haben die Schwierigkeiten für mich zugenommen. Ich glaube ich bin fast am Zenit angekommen. Meine Kinder sind einsam. Nach dem auch ich festgenommen wurde, hat meine Familie die Betreuung meiner Kinder übernommen. Mein Vater ist seit 11 Jahren Dialysekrank. Er ist zu 90% behindert. Wegen seiner Medikamente hat er vor kurzem Knochenbrüche. Vor 40 Tagen hat er sich die Hüfte gebrochen und musste operiert werden. Meine Mutter muss ihn betreuen,” schreibt die Mutter in ihrem Brief.
“Ich zähle im Schlaf ihre Namen auf”
Ihr sechsjähriger Sohn Musap Bera leidet an Bronchitis. Sie hat erst später davon erfahren, dass ihr Sohn in die Notaufnahme gebracht wurde. “Ich habe so sehr ihre Hilflosigkeit gespürt. Ich habe in meinen Träumen sie weinen sehen und ich habe bin aufgewacht, in dem ich ihre Namen gerufen habe. Nachdem mein Vater lage Zeit im Krankhaus war, sind die zurück nach Hause gekommen und haben die Kinder zu sich genommen. Nach weniger als einer Woche hat er sich auch den anderen Hüftknochen gebrochen…In dieser Zeit war ich ohne Obdach…Ich ertrage nicht mehr die Schwierigkeiten meiner Kinder…Dass die Gefängnisaufseher ´Besuchszeit vorbei, verabschiedet euch´sagen und mein kleines Kind, ´Mutter, die Besuchszeit ist vorbei´sagt, mich noch fester umarmt und will, dass ich es bis zur Tür in den Armen halte…Meine Kinder brauchen mich, weil ich eine Mutter bin,” schreibt sie in ihrem Brief.
Polizist: “Du bist keine gute Mutter”
Şahin erzählt in ihrem Brief auch über Krankheiten. Sie muss vier verschiedene Medikamente einnehmen. Sie hatte schon vor ihre Festnahem Probleme an ihren Nieren. Erst im Gefängnis hat sie erfahren, dass nur 65 Prozent ihrer Nieren funktionen. Zudem ist sie herzkrank. Seit sie über die Situation ihrer Kinder Bescheid weiß, hat die Mutter hohen Blutdruck. Sie hat diese Probleme in Polizeigewahrsam bekommen.
“Ich benutze Herzmedikamente und Medikamente wegen meiner Schilddrüse. Was ich bislang erlebt habe, hat zu Spuren an meiner Seele und meinem Körper hinterlassen. Alles was ich erlebt habe und der Druck der Polizisten (Diese hatten in meine Augen geschaut und gesagt, ich kümmere mich nicht um meine Kinder. Du bist keine gute Mutter. Deine Tränen sind eine Lüge, hör auf zu weinen etc.) hat zu Panikatacken geführt und ich muss Medikamente nehmen. Gestern wurde ich medizinisch untersucht. Dabei kam heraus, dass meine Nieren nur noch zu 65 Prozent arbeiten. Die schwieirgen Bedingungen haben zu Blutungen in den Nieren geführt.”
“Die Herzen sind verstummt, die Ohren taub”
Auch der Ehemann von Elif Şahin ist seit 44 Monaten im selben Gefängnis inhaftiert. “Meine Kinder sind noch klein. Sie müssen in ihrem Alter auch noch ohne Mutter und Vater aufwachsen… Ich bin eine Frau und eine Mutter, die psychologische Gewalt zu spüren bekommt. Ich versuche alle mögliche zu tun und schreibe Anträge an das Gericht. Ich schreibe wegen meiner Unschuld, der Situation meiner Kinder, meine Krankheiten aber leider…Meine Stimme wird nicht gehört. Die Herzen sind verstummt und die Ohren taub. Mit meinem leisen Schrei hoffe ich, dass sie stark werden.”
Ihr Vater Şit Dürmüş veröffentlicht aus dem Krankenzimmer und von zu Hause Botschaften in den sozialen Medien, in dem er die Freilassung seiner Tochter fordert.
Mutter und Vater im selben Gefängnis
Elif Şahin hat in Manisa und in der Umgebung in der Leitung von studentenheimen gearbeitet und wurde deswegen im Rahmen der Razzien gegen die Gülen-Bewegung verhaftet. Sie wurde am 19. September 2019 festgenommen und ins Gefängnis von Manisa gebracht. Ihr Mann wurde bereits im August 2016 verhaftet und zu acht Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt.
Der Text ist für die deutsche Version redaktionell bearbeitet worden. Das Original finden Sie hier.