(msi) Auch nach mehr als drei Jahren nach dem Putschversuch gibt es weiterhin zehntausende Menschen in der Türkei, die aus politischen Gründe im Gefängnis sind, unter ihnen auch zahlreiche Anwälte. Darauf machen jetzt die Rechtsanwaltskammern von 23 Provinzen in einer gemeinsamen Erklärung aufmerksam: Adana, Ankara, Antalya, Artvin, Aydın, Batman, Bingöl, Bitlis, Bursa, Diyarbakır, Antep, Hakkari, Hatay, İzmir, Kocaeli, Mardin, Mersin, Muş, Siirt, Tunceli, Urfa, Van und Yalova.
Rechtsanwälte fordern Schutz
Ihre gemeinsame Petition trägt den Namen „Fass die Verteidigung nicht an“ (Savunmaya Dokunma). „Was wir erleben zeigt, dass unser Beruf und unsere Kollegen einem organisierten Angriff ausgesetzt sind,“warnen die Juristen und führen Beispiele auf:
- In Gaziantep bekommen 11 Rechtsanwälte keine Akteneinsicht
- Ebenfalls in Gaziantep wurde ein Rechtsanwalt wegen eines Mandats festgenommen
- Ein Rechtsanwalt aus Izmir wurde wegen seiner anwaltlichen Tätigkeit festgenommen und sein Haus, Auto und Kanzlei wurde gesetzeswidrig durchsucht
Mitglied von Menschenrechtsausschuss nennt Anwälte „Horde von Hunden“
Die Rechtsanwälte kritisieren auch die aggressive Haltung der Politiker auf ihre Kollegen. Der Abgeordnete Metin Sazak von der nationalistischen MHP bezeichnete Rechtsanwälte als eine Horde von Hunden. Der selbe sitze aber im parlamentarischen Menschenrechtsausschuss. Nach Informationen des türkischen Justizministeriums waren im September 146 Rechtsanwälte in Haft. 2017 lag diese Zahl sogar bei 487.
Vereinigung der Rechtsanwaltskammern ignoriert Mitglieder
Die Dachorganisation „Vereinigung der Rechtsanwaltskammern der Türkei“ (Türkiye Barolar Birliği) hat schon lange mit den Rechtsanwaltskammern in den Provinzen gebrochen. Galt der Vorsitzende der Dachorganisation, Metin Feyzioğlu, früher als Gegner von Präsident Erdogan, ist er heute zu seinem Verfechter geworden. Er unterstützt auch den Einmarsch türkischer Truppen in Nordsyrien. Zuletzt hatte er zudem vorgeschlagen an einer neuen syrischen Verfassung mitzuarbeiten.
Über 70 Prozent der türk. Rechtsanwälte fordern Rücktritt
12 Rechtsanwaltskammer hatten die Dachorganisation in einer gemeinsamen Erklärung zu einer Generalversammlung oder zum Rücktritt von Feyzioğlu aufgerufen. Obwohl die 12 Kammern über 70 Prozent der Rechtsanwälte repräsentieren, hat die Dachorganisation diesen Antrag abgelehnt.