Das niederländische Regierun hat allen Asylbewerbern aus der Türkei Schutz gewährt, deren Informationen an die Türkei gelangt sind.
BOLD – Yılmaz S. arbeitete in der Türkei viele Jahre völlig unbescholten als Vertrauensanwalt für unterschiedliche Botschaften westlicher Staaten. Unter anderem auch für Deutschland und die Niederlande. Doch seit September 2019 sitzt Yılmaz S. nun für diese Tätigkeit in Haft. Der Vorwurf der türkischen Regierung lautet Spionage. Der Anwalt wurde beispielsweise durch die deutsche Botschaft herangezogen, um Informationen über Asylantragsteller aus der Türkei zu überprüfen und ihre Gefährdung zu bestätigen oder das Gegenteil zu belegen.
Die Verhaftung löste eine große Welle an Irritationen aus und führte zu einer weiteren Verschärfung der diplomatischen Verhältnisse. Doch bislang fallen die Konsequenzen durchaus unterschiedlich aus. In Deutschland sollten Medienberichten zufolge trotzdem Antragsteller aus der Türkei abgeschoben werden. Selbst kurdische Politiker der Partei HDP würden keinen Asyl erhalten, wie aus einer Monitor-Recherche hervorgeht. Wie anders politische Entscheidungen ausfallen können, belegt ein direkter Nachbar von Deutschland.
Niederlande gewähren allen Asyl, deren Informationen an die Türkei geraten
Das holländische Amt für Migration und Einbürgerung (kurz: IND) hat als Konsequenz für den schwerwiegenden Datenverlust seiner Asylbewerber an die Türkei beschlossen, allen betroffenen Antragstellern Asyl zu gewähren. Das niederländische Amt habe Medienberichten zufolge, die Asyl-Antragsteller per Brief darüber informiert, dass ihre sensiblen Daten in die Hände der türkischen Sicherheitsbehörden gelangt sind. Zwar gab das Amt keine genauen Zahlen bekannt, doch eine “begrenzte Zahl” an Akten sei nun in den Händen der Türkei.
Rekordanstieg bei Asyl-Antragstellungen
Während 2015 noch 56 Personen aus der Türkei Asyl in den Niederlanden beantragten, stieg diese Zahl 2016 auf 235. In den folgenden Jahren stieg diese Zahl weiter erheblich an. So beantragten 2017 481 Personen Asyl in den Niederlanden, 2018 waren es sogar 1382. Die Mehrheit der Antragsteller haben Verbindungen zu der Bewegung des islamischen Gelehrten Fethullah Gülen. Der im US-amerikanischen Exil lebende Geistliche wird durch die türkische Regierung und Opposition für den Putschversuch vom 15. Juli 2016 verantwortlich gemacht. Belege für diese Behauptungen konnte die türkische Regierung bislang nicht vorlegen. Anhängern der Gülen-Bewegung drohen in der Türkei Verfolgung, Entführung und Folter, wie in zahlreichen Berichten von Bold bereits deutlich wurde. Und deshalb sind die Antragstellungen auch drei Jahre nach dem Putschversuch nicht beendet. In den ersten 11 Monaten von 2019 stellten weitere 159 Personen einen Asylantrag in den Niederlanden.