Der ehemalige Mitarbeiter des türkischen Geheimdienstes MIT, Mesut Geçer, soll nach eigenen Angaben von seinen ehemaligen Kollegen nach Syrien entführt und dort 16 Monate lang gefoltert worden sein. Der Exil-Journalist und ehemaliger Chefredakteur der Zeitung Cumhuriyet, Can Dündar, erkennt in den Aussagen Geçers Systematik. Laut Dündar ist Syrien zum neuen Guantanamo der Türkei geworden.
BOLD – Entführungen und Foltervorwürfe gibt es in der Türkei mittlerweile zuhauf. Das hat vor allem in der Zeit nach dem Putschversuch vom Juli 2016 stark zugenommen. Einige Folteropfer haben von ihrer Entführung und der grausamen Folter sogar vor Gerichten vorgetragen. Diese Ausführungen werden vor Gerichten jedoch größtenteils ignoriert. Bold berichtete merhfach darüber. Oft ist auch die Rede von geheimen Foltergefängnissen in Ankara, in denen die Inhaftierten etwa sechs bis neun Monate festgehalten worden sein sollen.
Ein aktueller Fall verschärft die ohnehin skandalöse Menschenrechtslage in der Türkei. Dabei geht es um Mesut Geçer, ein ehemaliger Mitarbeiter des MIT. Der ehemalige GeheimdienstleMIT
r behauptet jetzt, er sei von seinen ehemaligen Arbeitskollegen entführt und gefoltert worden.
“Ich wurde 16 Monate lang festgehalten”
Insgesamt sei Mesut Geçer 16 Monate lang festgehalten worden. Man habe ihm vorgeworfen, in Verbindungen zur Gülen-Bewegung zu stehen. Anfang Dezember stand Geçer erstmals vor Gericht. Bei seiner Verteidigung sprach er über die Entführung, die nach seinen Aussagen am 18. März 2017 stattgefunden haben soll. Er sei während einer Fahrt von seinen ehemaligen Kollegen angehalten worden. Diese hätten ihn in ein Auto mit einem Kennzeichen der Stadt Sivas (58) gezerrt. Anschließend habe man ihm einen Sack über den Kopf gestülpt und ihn an einem unbekannten Ort in eine Zelle gesteckt. “Am 20. März 2017 befragte mich man zum ersten Mal. Ich saß in Handschellen und man hat mich gegen die Wand geschlagen, während ich einen Sack über dem Kopf tragen musste. So begann mein Verhör”, erzählte der ehemalige Geheimdienstler vor dem 34. Strafgericht in Ankara. Anschließend habe man ihn weiter geschlagen. Er habe die meisten Stimmen erkannt, die während dem Verhör sprachen. Durch den Sack auf dem Kopf, konnte er sie aber nicht erkennen. Zwei Tage später habe er starke Blutungen gehabt, weshalb man ihn an einen anderen Ort verlegt habe. Ein Jahr später dann nochmal. “Ich wusste nicht, wohin man mich fuhr. Später habe ich verstanden, dass ich in Syrien war. Ich musste mit Handschellen und einem Sack auf dem Kopf fahren. Dann kamen Arabisch sprechende Menschen. Bis zum 14. Juli 2018 war ich in deren Händen gefangen.”, Mesut Geçer weiter.
Nach Monaten wieder in die Türkei zurückgebracht
Auch die Rückfahrt in die Türkei sei wieder mit einem Sack auf dem Kopf erfolgt. Dort habe man ihn in eine Gendarmerie gebracht, um ihn anschließend ins Polizeipräsidium von Ankara zu bringen. Somit war er insgesamt 16 Monate lang spurlos verschwunden. Aufgrund der Folter leide er unter anderem an Folgeschäden an seinem linken Fuß und Knie.
Can Dündar: Syrien ist zum Guantanamo der Türkei geworden
Öffentlich wurden die Aussagen des ehemaligen Geheimdienstlers dank der Tweets des in Berlin lebenden Exil-Journalisten Can Dündar. Can Dündar bezeichnete Syrien dabei als das “Guantanamo der Türkei”.
Nach dem Korruptionsskandal im Dezember 2013, in den auch hochrangige türkische Politiker der regierenden AKP involviert waren, hat die türkische Regierung die Gülen-Bewegung ins Visier genommen. Der Korruptionsskandal sei eine Verschwörung der Bewegung gegen den heutigen türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan gewesen. Damals noch Ministerpräsident, war auch der Sohn Erdoğans in die Korruptionsermittlungen involviert. Nach dem Putschversuch 2016, dessen Urheber laut türkische Regierung ebenfalls die Gülen-Bewegung sein soll, sind die Repressalien gegen mutmaßliche und tatsächliche Mitglieder der Gülen-Bewegung ins unermessliche gestiegen. Die Gülen-Bewegung wird von der türkischen Regierung als eine bewaffnete Terrororganisation eingestuft.
Neben hunderttausenden Suspendierungen und Festnahmen, gibt es auch immer wieder Fälle von Entführungen und Folter. Schätzungen zufolge wurden bislang etwa 30 Personen entführt. Trotz eindeutigen Belegen können die Mitarbeiter des Geheimdienstes MIT nicht verurteilt werden. Denn wegen der neuen Gesetzeslage muss für eine Verurteilung der Folterer die Zustimmung der MIT-Behörde und des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan vorliegen. Die Gerichte weigern sich solche Zustimmungsanfragen an diese beiden Instanzen zu stellen.