Im vergangenen Jahr wurden in der Türkei sieben Personen von schwarzen Transportern entführt. Sechs von ihnen wurden nach sechs bis neun Monaten der Polizei übergeben. Von Yusuf Bilge Tunç fehlt seit zehn Monaten jeden Spur.
Von Cevheri Güven
Yusuf Bilge Tunç verlor per Dekret seinen Arbeitsplatz und wurde am 6. August 2019 entführt. Alle Personen, die 2019 entführt wurden, wurden nach sechs bis neun Monaten der Polizei übergeben. Von Tunç fehlt seit zehn Monaten weiterhin jede Spur. Die Familie des Mannes fürchtet, dass er durch die Folter umgekommen ist.
Tunç hatte beim Wirtschaftsministerium gearbeitet und wurde per Dekret entlassen, weil ihm Nähe zur Gülen-Bewegung vorgeworfen wurde. Danach musste er seinen Lebensunterhalt dadurch verdienen, in dem er mit seinem Auto Einweggeschirr verkauft hat. Am 6. August wurde er von einem schwarzen Transporter entführt.
Die Entführungen fingen 2016 an und hatten die Gülen-Bewegung zum Ziel. Das Entführungsopfer war der am 27. Januar entführte Sunay Elmas. Seit vier Jahren weiß man über den Verbleib von Elmas nichts.
Außer Yusuf Bilge Tunç wurden 2019 sechs weitere Personen entführt. Salim Zeybek, Erkan Irmak, Özgür Kaya und Yasin Ugan tauchten sechs Monate später in eienm Polizeirevier auf, Mustafa Yılmaz und Gökhan Türkmen nach neun Monaten. Bislang wurden die Opfer vier bis sechs Monate lang gefoltert, bis sie der Polizei übergeben wurden. Weil Tunç schon seit Monaten nicht aufgetaucht ist, könnte er bei der Folter umgekommen sein. Die Familie macht sich um das Leben des Mannes große Sorgen. Die Familie von Tunç versucht sich über die sozialen Medien Gehör zu verschaffen. Gleichzeitig versucht die Familie ihren Kampf für Yusuf Bilge Tunç auch auf juristischer Ebene zu gewinnen.
„Sicher, dass der Staat ihn hat“
Die Familie ist sich sicher, dass auch Tunç vom Staat entführt wurde. Das größte Indiz dafür ist, dass Polizei und Staatsanwaltschaft nach der Entführung sich geweigert haben, Beweise zu sichern. Aufnahmen von Sicherheitskameras waren verschwunden. So tauchte das Auto von Tunç ausgeräumt an einer Stelle auf, in der die Familie zuvor danach gesucht hatten. Auch die Staatsanwaltschaft hatte sich geweigert, Beweismittel im Fahrzeug sichern zu lassen.
Nach der Entführung von Yusuf Bilge Tunç wurde sein Auto an einem verlassenen Ort in Ankara gefunden. Die Familie hatte lange Zeit dafür gekämpft, dass im Auto Fingerabdrücke und andere Beweise gesichert werden. Nach Monate hatte die Staatsanwaltschaft mitgeteilt keine Spurensicherung an dem Fahrzeug vorzunehmen und schloss die Akte. Die Familie verkaufte später das Fahrzeug. Nach dem das Auto verkauft wurde hatte ein anderer Staatsanwalt dann angekündigt an dem Fahrzeug Spuren sichern zu lassen. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden der Familie allerdings nicht mitgeteilt.
Gericht verhängt Informationssperre
Die Akte zum Fall Tunç wurde inzwischen mit der Akte in einem anderen Fall zusammengelgt. Zu dem Fall hat das Gericht eine Informationssperre verhängt. Weder die Rechtsanwälte noch die Familien bekommen Informationen dazu.
Die Familie versucht mit der Menschenrechtsorganisation IHD (İnsan Hakları Derneği) auch von internationalen Institutionen Hilfe zu bekommen. Zueltzt hatte die Vereinten Nationen die Türkei aufgefordert eine Stellungnahme abzugeben. Die Türkei hatte in ihrer Stellungnahme die selbe Stellungnahme wie in den übrigen Fällen übergeben. Die Rechtsanwälte der IHD hatten daraufhin mit Beweisen der türkischen Version widersprochen.
Auch vor dem Europäischen Gerichtshof Menschenrechte EuGH sehen die Entwicklungen ähnlich aus. Bislang hat der EuGH noch keine Entscheidung in dem Fall getroffen.
Amensty International nimmt Fall nicht in Bericht auf
Amnesty International hatte zuletzt einen umfangreichen Bericht zu den Entführungsfällen veröffentlicht. Während sechs der 2019 Entführten in dem Bericht vorkamen gabe es Kritik daran, dass der Fall von Yusuf Bilge Tunç nicht in dem Papier auftauchte.
Die Menschenrechtsorganisation hatte in Großbritannien hatte zu dem Fall Unterlagen erhalten, teilt die Familie mit. Die Veröffentlichungen von internationalen und regionalen Institutionen sei sehr wichtig für die Familie.
https://twitter.com/YusufBilgeTunc/status/1236884870594473984?ref_src=twsrc%5Etfw%7Ctwcamp%5Etweetembed%7Ctwterm%5E1236884870594473984&ref_url=https%3A%2F%2Fmedyabold.com%2F%2Fboldmedya.com%2F2020%2F05%2F08%2F10-aydir-kayip-khkli-yusuf-bilge-tuncun-ailesi-artik-hayatindan-endise-ediyoruz%2F
Familie leidet psychisch
Die Kinder von Tunç gingen immer wieder an die Tür, wenn es klingelt und sagte „Baba ist gekommen.“ Die Familie leidet psychisch sehr unter der Situation. Besonders der Vater von Tunç habe inzwischen große Probleme.
Inzwischen geht die Familie davon aus, dass Tunç unter Folter umgekommen sein. Dennoch wollte sie die Hoffnung nicht aufgeben. Der Vater des Entführten ist der Lehrer Mustafa Tunç. Ihm geht es gesundheitlich sehr schlecht. Auch die Ehefrau und Kinder des Mannes sind gesundheitlich schwer angeschlagen.
„Lasst ihn frei!“
Die Familie bittet daher die Öffentlichkeit um Hilfe und fordert die Freilassung des dreifachen Vaters. Yusuf Bilge Tunç ist Absolvent der politikwissenschaftlichen Fakultät in Ankara. Nach seinem Studium hatte er im öffentlichen Dienst im Bereich Finanzen gearbeiter.
Während des Ausnahmezustands nach dem Putschversuch am 15. Juli 2016 wurde Tunç unter dem Vorwurf Verbindungen zur Gülen-Bewegung zu haben zunächst per Dekret entlassen. Er hat drei Kinder im Alter von 10, 6 und 2,5 Jahren.
Namen der Opfer und Datum der Entführungen
Sunay Elmas (27. Januar 2016), Ayhan Oran (1. November 2016), Mustafa Özgür Gültekin (21. Januar 2016), Durmuş Ali Çetin (17. Mai 2017), Hüseyin Kötüce (28. Februar 2017), Mesut Geçer (26. März 2017), Turgut Çapan (31. März 2017), Önder Asan (1. April 2017) Cengiz Usta (4. April 2017), Mustafa Özben (9. Mai 2017), Fatih Kılıç (14. Mai 2017), Cemil Koçak (5. Juni 2017), Murat Okumuş (16. Juni 2017), Enver Kılıç (30. September 2017), Zabit Kişi (30. September 2017), Hıdır Çelik (6. Januar 2017), Ümit Horzum (6. Dezember 2017), Ayten Öztürk (13. März 2018), Orcun Şenyücel (21. April 2018), Hasan Kala (20. Juli 2018), Fahri Mert (12. August 2018), Ahmet Ertürk (16. November 2018).
Nach Februar 2019 wurden diese Personen festgenommen:
Gökhan Türkmen (7. Februar 2019), Yasin Ugan (12. Februar 2019), Özgür Kaya (12. Februar 2019), Erkan Irmak (16. Februar 2019), Mustafa Yılmaz (18. Februar 2019), Salim Zeybek (20. Februar 2019), Yusuf Bilge Tunç (6. August 2019).
Kein Lebenszeichen von 3 Opfern
Von den Entführten Sunay Elmas und Ayhan Oran gibt es seit 2016 kein Lebenszeichen. Von Yusuf Bilge Tunç fehlt seit August 2019 jede Spur.
https://twitter.com/YusufBilgeTunc/status/1162038432199168000?ref_src=twsrc%5Etfw%7Ctwcamp%5Etweetembed%7Ctwterm%5E1162051132132380672&ref_url=https%3A%2F%2Fmedyabold.com%2F%2Fboldmedya.com%2F2020%2F05%2F08%2F10-aydir-kayip-khkli-yusuf-bilge-tuncun-ailesi-artik-hayatindan-endise-ediyoruz%2F
Folter-Bauernhof
Die Informationen der Opfer, die durch in schwarze Transportern entführt wurden deuten daraufhin, dass sie zum „Çiftlik“ (Türkischf ür Bauernhof) gebracht werden. Diese Zentrum wird vom türkischen Geheimdienst MIT als für „Sonderoperationen“ genutzt und liegt an der Grenze zum Stadteil Marşandiz und und dem Anadolu Boulevard. In den 1980er Jahren wurden linke Aktivisten in dieses Folterzentrum gebracht. Vor dem Putschversuch wurden an dem Komplex Renovierungen vorgenommen und dient jetzt zum Verhör und Folter von Gülen-Anhängern und auch Kurden, die aus Syrien entführt wurden.
Ayten Öztürk und Zabit Kişi wurden aus dem Ausland entführt und wurden deswegen von der Abteilung für Auslandsoperationen an einen anderen Ort gebracht. Sie wurden in der Nähe des Flughafens Ankara Esenboğa in einen Komplex des MIT gebracht, dass als „Saray Tesisleri“ bezeichnet wird und dort schwerer Folter ausgesetzt.
Während einige der Opfer später vor Gericht über ihrer Folter berichtet haben, haben andere aus Angst dazu geschwiegen. Gökhan Türkmen, Zabit Kişi und Ayten Öztürk haben vor Gericht detailliert über ihre monatelange Folter berichtet.
Der Text wurde für die deutsche Übersetzung redaktionell bearbeitet. Das Original finden Sie hier.