Während des Ramadan-Festes hatte Celal Bülbül Studenten zum #Fastenbrechen “Iftar” eingeladen und ihnen Lebensmittel geschenkt. Deswegen sitzt der 72-Jährige seit rund 10 Monaten im Gefängnis von Çorum.
Von Sevinç Özarslan
(Aus dem Türkischen von Sven Weber)
Seit neuneinhalb Monaten sitzt Celal Bülbül (72) schon im Gefängnis von Çorum. Er konnte einige Tage vor dem Ranadan-Fest mit seiner Frau telefonieren. In einem Gespräch mit Bold berichtet uns die Ehefrau des Gefangenen über das Telefonat und die Verhältnisse in Haft. “Wir beten dafür, dass wir am Ramadan-Fest alle zu Hause sein können.” Dabei soll Bülbül geweint haben, erzählt seine Ehefrau. Danach soll er nur noch “es sind jetzt neuneinhalb Monate her, seit ich ins Gefängnis gesteckt wurde.”
“Ich habe die Berge, die Steine vermisst”
“Etwas später hat er sich wieder gefangen.Hoffentlich diese Tage bald der Vergangenheit an. Ich habe die Wälder, Berge und sogar Steine vermisst. Am 1 Juni sollen wieder Gefangenenbesuche erlaubt sein. …Es sind jetz neuneinhalb Monate vergangen, dass ich ins Gefängnis kam,´ sagte er.”
“Er schläft unter den Treppen”
Vor rund drei Wochen war Bülbül die Treppen heruntergefallen, weil ihm schwindelig war. Der Mann leide an verschiedenen Krankheiten. Wegen der Inhaftierung habe der Mann seine Therapien nicht beenden können. Der Mann müsse regelmäßig Magenspiegelungen bekommen, erzählt uns seine Ehefrau. Es bestehe zudem die Gefahr einer Erblindung. Wegen seines hohen Blutdrucks nehme der Mann seit 20 Jahren Medikamente ein. Weil es keinen Platz mehr in der Zelle gäbe, schlafe der Mann unter den unter den Treppen.
“Ich würde sterben, wenn ich in Quarantäne käme”
Bülbül leide auch an verschiedenen Phobien: Geschlossene Räume und unkelheit machten dem Mann immer Angst. Vergangene Woche durfte er dann mit seiner Familie telefonieren und erzählt über seinen Zustand im Gefängnis von Çorum.
“Ich hatte wegen meiner Schwindelgefühle im November 2019 einen Termin beim Arzt. Als ich verhaftet wurde, wurde daraus nichts. Hier bekommst du keine Medikamente, wenn du es möchtest. Du kannst auch nichts ins Krankenhaus. Denn sowohl vorher als auch im Anschluss muss man dann für zwei Wochen in Quarantäne. Ich sagte, ich würde sterben. Ich kann weder im Dunkeln, noch im Engen oder Alleine bleiben. Das sind Krankheiten. Ich habe sogar Angst im Aufzug alleine zu sein.
“Der Arzt sagte, ich könne blind werden”
Ich brauche Augentropfen. Meine Augen trocknen aus. Ich habe einen gelben Fleck im Auge. Manchmal sehe ich alles vernebelt. Der Arzt in Ankara sagte, dass es am Ende mit Blindheit enden wird. Damals bekam ich auch Vitamintabletten. Hier gibt es solche Möglichkeiten nicht.
“Bei mir muss regelmäßig eine Endoskopie gemacht werden”
Ich leide seit 20 Jahren an Blutdruckproblemen. Ich muss morgens und abends verschiedene Blutdrucktabletten einnehmen. Ich habe auch starke Magenprobleme. Ich musste regelmäßig eine Endoskopie bekommen. Das geht jetzt nicht mehr.”
Zwei Mal festegnommen
Bülbül wurde im Rahmen der Ermittlungen gegen die Gülen-Beegung im September 2016 festgenommen. Der seit neuneinhalb Monaten imGefängnis von Çorum einsitzende Celal Bülbül wurde inzwischen zu einer Gefängnisstafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt und wurde dann aber freigelassen. Als dann das Urteil vom Kassationshof bestätigt wurde, musste der Mann am 9. August wieder zurück ins Gefängnis.
Der kranke Celal Bülbül muss jetzt bis mindestens Juli 2022 im Gefängnis bleiben. Immer wieder starben Gefangene in türkischen Gefängnissen, weil sie krank waren und nicht ausreichend medizinisch evrsorgt wurden. Der dreifache Vater hat zudem eine Tochter, die Lungenkrebs hat. Nachdem ihr Vater ein zweites Mal ins Gefängnis gekommen war, hat sich auch ihre gesundheitliche Lage verschlechtert.
Celal Bülbül hatte es nicht immer einfach: 1973 ging der Mann nach Bottrop um in einer Kohlegrube zu arbeiten. 10 Jahre lang arbeitete der Mann hier. Dann tauchen bei ihm Krankheiten auf und er wurde in den Vorruhestand versetzt. 1987 kehrte Bülbül zurück in seine Heimat Çorum. Seither engagiert sich der Frührentner sozial. Er gab Studenten im Ramadan Essen aus und versorgte sie mit Lebensmitteln. Nach dem Putschversuch wird der Mann von seinem Schneider und seinen Mietern denunziert. Danach wurde er festgenommen.
“Er hat uns zum Fastenbrechen (Iftar) eingeladen”
Insgesamt hatte vier Personen gegen Celal Bülbül ausgesagt:
Die erste Zeugin war eine Studentin aus der Nachbarwohnung. “Er hat uns bei sich zum Fastenbrechen (Iftar) eingeladen,” sagte sie aus. Die Zeugin fuhr aus Istanbul 16 Stunden nach Çorum und konnte nur das über den alten Mann sagen. Zwar fragte der Richter, ob sie nur deswegen aus Istanbul gekommen sein umd das zu sagen, aber an seinem Urteil änderte das nichts.
Grund der Beschwerde der Mieter: Nicht ans Telefon gegangen
Die zweite und dritte Aussage gegen ihn machten zwei seiner Mieter. In der Putschnacht vom 15. Juli 2016 befand sich Bülbül bei seiner Tochter in Maraş. Sie konnte ihn an diesem Tag nicht erreichen. Das hatte bei den Mietern zu der Annahme geführt auch an dem Putsch beteiligt gewesen zu sein und hatten ihren Verdacht dem Amt des Ministerpräsidenten mitgeteilt. Hatten sich die “Zeuge” anfangs geweigert vor Gericht ihre Aussage zu wiederholen, tauchten sie erst am dritten Prozesstag auf. “Ihr lebt im Haus des Angeklagten und zeigt ihn auch noch an,” kritisierte der Richter die Mieter. Auch das hat am Urteil nichts geändert.
“Er hat ein Sack Mehl von mir genommen um sie den Studenten zu geben”
Die vierte Aussage machte ein sog. geheimer Zeuge. “Er hat ein Sack Mehl von mir gekauft um sie Studenten zu geben, die der Gülen-Bewegung angehören. Eine weitere Aussage gegen den kranken Mann hatte sein Schneider gemacht, dem er schon oft geholfen hatte. Der Mann wusste, dass sich Bülbül in der Putschnacht bei seiner Tochter aufhielt. Dennoch ging er auf Polizeirevier, dasss der alte Mann noch nicht festgenommen wurde. Zwar hatte der Schneider seine Aussage gegen ihn bereut und es widerrufen, aber die Aussage war schon in die Anklageschrift aufgenommen.